· 

Blechknechte ans Werk

Vor etwas mehr als 50 Jahren tauchten die ersten Industrieroboter in den Fertigungsstraßen großer Firmen auf. Mittlerweile gehören sie auch in vielen biowissenschaftlichen Laboren zum Standardinventar.

Wild herum fuchtelnde Roboterarme und im Sekundentakt hin- und her flitzende Pipettierköpfe sind in den Laboren von Pharmafirmen längst ein gewohnter Anblick. Ohne vollautomatische Arbeitsabläufe ist bei der Suche nach Wirkstoff-Kandidaten kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Auch in zentralen klinischen Servicelaboren, die zum Beispiel Proben für die Krebsdiagnostik oder klinische Mikrobiologie aufarbeiten, geht ohne Kollege Roboter so gut wie nichts mehr.

Roboterstraßen

Meist bestehen die Roboterstraßen in Großlaboren aus verschiedenen, auf einer Arbeitsplattform (Deck) angebrachten Einzelgeräten, deren Arbeitsabläufe von einer entsprechenden Software koordiniert werden. Die drei wichtigsten Komponenten vieler Automatendecks sind Liquid-Handler oder Dispenser, Mikroplatten-Magazine sowie Roboterarme. Die Pipettierköpfe der Liquid-Handler pipettieren die Reaktionsansätze in Mikrotiterplatten oder andere Reaktionsgefäße; Platten-Magazine, -Hotels oder -Karussels liefern den nötigen Nachschub; und die über verschiedene Achsen beweglichen Roboterarme reichen die Platten oder sonstigen Reaktionsgefäße an wichtigen Knotenpunkten der Anlage weiter oder übergeben sie an angeschlossene Analysegeräte, etwa Mikroplattenlesegeräte.

Zu diesen drei Grundbausteinen kommen je nach Bedarf weitere Peripherie-Geräte hinzu, etwa Barcode-Lesegeräte (Scanner), Autosampler, Mikroplattenversiegler (Sealer), Verschlussöffner (Decapper), automatische Mikroskope oder auch passende Inkubatoren und Zentrifugen.

Für kleine und mittlere Arbeitsgruppen, die in der Regel nicht gerade im Geld schwimmen, sind diese vollautomatischen Roboterstraßen natürlich unerschwinglich. Zudem würden sie auch nicht in die zumeist beengten Laborräume passen.

Auch etwas für kleine Gruppen

Das heißt aber nicht, dass kleine Forschungsgruppen auf die Laborautomation verzichten müssen – ganz im Gegenteil. Für diese sind insbesondere einzelne Bausteine aus den Roboterstraßen interessant, die auch als so genannte Inselanlagen funktionieren.

Ein typisches Beispiel hierfür sind Pipettierroboter beziehungsweise Liquid-Handler, die in unterschiedlichsten Größen und Automatisierungsgraden angeboten werden. Die Palette reicht von kleinen, halbautomatischen Tischgeräten bis zu mannshohen, plexiglas-ummantelten Workstations, die komplette Arbeitsabläufe, etwa die Extraktion von Nukleinsäuren, selbständig übernehmen.

Beim üblichen Liquid-Handler, der mehr oder weniger isoliert vor sich hin wurschtelt und bei dem immer wieder manuelle Eingriffe nötig sind, muss es aber nicht bleiben. Mit etwas Geschick und Nachdenken schaffen es auch Roboterlaien einzelne Geräte oder Inselanlagen in ein komplexeres Automatisierungs-System einzubinden – und zwar ohne dabei auf vorgefertigte und teure kommerzielle Lösungen zurückzugreifen.

Zylindrischer Roboter

Wie man so eine Anlage aufbaut, demonstriert der Automatisierungstechniker André Kleinwächter in seiner 2012 am Institut für Automatisierungstechnik der Universität Rostock vorgelegten Doktorarbeit (urn:nbn:de:gbv:28-diss2012-0094-3). Kleinwächter sollte in seiner Thesis eine Roboterplattform für das Handling von Einzelgefäßen in lebenswissenschaftlichen Laboren entwickeln, die sich an unterschiedliche Aufgaben adaptieren lässt.

Der Rostocker wählte hierzu eine kreisförmige Anordnung der Peripherie-Geräte (Liquid-Handler, Deckelstation, Kühl-Thermo-Schüttler, Gestelle für Reaktionsgefäße) um einen zentralen Roboter, der sich um die eigene Achse drehen und seinen Arm auf und ab sowie hin und her bewegen kann. Da der Roboterarm hierbei einen zylinderförmigen Raum abdeckt nennt man diesen Robotertyp auch einen zylindrischen Roboter; in Kleinwächters Plattform ist er für die Zulieferung und Weitergabe der Reaktionsgefäße zwischen den Peripheriegeräten zuständig.

Dass sein System tatsächlich für den Einsatz in einem lebenswissenschaftlichen Labor geeignet ist, zeigte Kleinwächter in einem Praxistest bei dem er es zur Zellkultivierung und zur automatischen Expression eines rekombinanten Proteins in Bacillus subtilis einsetzte. Beides funktionierte tadellos.

Einzelne Module

Bemerkenswert ist die Rostocker Arbeit aber noch aus einem anderen Grund: die Automatisierungs-Plattform ist strikt modular aufgebaut, das heißt sowohl die Peripherie-Geräte als auch der zentrale Roboter können durch alternative Bausteine ersetzt werden. Den Platz des zylindrischen Roboters könnte zum Beispiel auch ein Knickarm-Roboter einnehmen und statt eines Thermo-Schüttlers ließe sich auch eine andere Komponente integrieren. Hinzu kommt, dass Kleinwächter sämtliche zum Aufbau des Systems nötigen Schritte – von der Konzeption der Automatensoftware bis hin zu den verwendeten Robotergreifern – minutiös beschreibt. Im Vordergrund steht hierbei immer eine möglichst hohe Flexibilität, das Verwenden leicht erhältlicher Einzelkomponenten und Peripheriegeräte sowie eine offene für jedermann zugängliche Softwarearchitektur.

Ein Blick in Kleinwächters Doktorarbeit könnte sich also durchaus für Arbeitsgruppen lohnen, die Arbeitsabläufe automatisieren und das hierzu nötige Robotersystem selbst aufbauen wollen.

Mobil und feinfühlig

An der Ostsee tut sich aber noch mehr in Sachen Roboter und Automatisierung. Wer sich in die Labore des Rostocker Zentrums für Life Science Automation (Celisca) verirrt, sollte sich nicht wundern, wenn ihm auf den Fluren und in den Laborräumen mobile Roboter begegnen. Hui Liu aus der Gruppe der Institutschefin Kerstin Thurow hat eine kleine, mobile Robotertruppe auf die Beine oder besser Räder gestellt, die sich selbständig in den Räumlichkeiten zurechtfindet ohne die dort anwesenden „Kohlenstoffeinheiten“ über den Haufen zu fahren.

Die von Liu entsprechend programmierten Roboter sind 140 Zentimeter hoch, bewegen sich auf vier Rädern vorwärts, haben zwei einem Menschenarm nachempfundene Greifarme an den Seiten eines rechteckigen Rumpfes sowie einen Kopf mit zwei Kameraaugen. Mit ihren blechernen Gesichtsmasken sehen sie ein bisschen aus wie römische Zenturionen.

Die Roboter sind mit verschiedenen Sensoren ausgestattet, mit denen sie die Außenwelt wahrnehmen. Neben zwei Kameraaugen sind dies unter anderem ein Bewegungsmelder (kinetischer Sensor) in Bauchhöhe sowie eine Infrarotkamera im Kopf des Roboters, die Markierungen an der Decke erkennt und hierdurch die Orientierung der Roboter in den Räumen ermöglicht. Die einzelnen Roboter tauschen sich über ein WLAN-Netzwerk untereinander aus und erhalten über dieses auch ihre Befehle von der Steuerzentrale. Ist ein Roboter an dem ihm zugedachten Arbeitsplatz angekommen, kann er mit seinen Armen Gegenstände greifen und mit ihnen hantieren.

In einem im letzten Jahr erschienen Paper illustriert Liu in einer Bilderstrecke zum Beispiel, wie ein Roboter eine Plastikflasche auf einer Werkbank in die Hand nimmt, in ein benachbartes Labor transportiert und dort auf der Bench abstellt ( Liu, et al., Int. j. adv. robot. syst., 2013, Vol. 10, 288).

Aus dem Onlineshop

Übrigens: Liu hat seine Roboter nicht selbst zusammengeschraubt, sie stammen von der kanadischen Firma DrRobot. Im Onlineshop des deutschen Vertriebspartners von DrRobot erhält man sie wie einen x-beliebigen Spielzeugroboter über das Internet. Der Spaß kostet aber etwas mehr als ein Lego-Roboter – mit 26.178 € und 81 Cent sind Sie dabei.